Auch der Mittelstand und KMU sind von der digitalen Transformation stark betroffen. Zwar haben sie eine andere Kultur als Konzerne, doch müssen auch sie ihre Führungsansätze auf den Prüfstand zu stellen. Unter anderem, weil sich ihre Mitarbeiter und deren Erwartung an Führung gewandelt haben.
Zwar attestiert eine aktuelle Studie mittelständischen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ein starkes Bewusstsein für erforderliche Veränderungen im Zuge der Digitalisierung. Doch wie Untersuchungen zeigen, hapert es oft noch an der Umsetzung. Beispielsweise planen nur ca. ein Drittel der KMU ihre Weiterbildung. Und nur 15% von ihnen stufen ihre Weiterbildungsplanung selbst als „vorausschauend“ ein.
Strategische Denke im Personalbereich verbesserungswürdig
Weil die Weiterbildung weitgehend ad hoc erfolgt, haben viele KMU und auch so manche Mittelständler Defizite in allen Bereichen, die mit einer systematischen Personal- und Organisationsentwicklung zusammenhängen. Eine Ursache liegt im Fehlen von Spezialisten. Oftmals haben Personalleiter auch ein zu breites Aufgabenfeld. Das Tagesgeschäft hat für sie oft Vorrang; für ein konzeptionelles, strategisches Denken fehlt die Zeit.
Dieses behalten sich in vielen kleinen und mittleren sowie so manchem mittelständischen Unternehmen die „Eigentümer-Unternehmer“ vor. Sie betrachten das Beantworten der personalpolitischen Grundsatzfragen, wozu auch die Personalentwicklung zählt, häufig als ihre originäre Aufgabe. Folglich beschränkt sich die Kompetenz der Personaler oft auf operative Aufgaben.
Deshalb zeigen viele Personalleiter in KMU/mittelständischen Unternehmen ein scheinbar widersprüchliches Verhalten. Sie betonen zwar die Notwendigkeit einer strategischen Personalarbeit, im Alltag sind sie aber primär mit der Personalauswahl und dem Personalcontrolling beschäftigt.
Passgenaue Personal- und Führungskonzepte gefragt
Doch zunehmend findet ein Umdenken statt. Aus vielen Gründen. In den letzten ein, zwei Jahrzehnten haben sich beispielsweise viele früher handwerklich geprägte Klein- und Mittelbetriebe zu hochspezialisierten Nischenanbietern entwickelt, die ihren Kunden maßgeschneiderte Problemlösungen bieten. Das spiegelt sich in der Struktur ihrer Mitarbeiter wider. Sie ist heute viel heterogener als noch zur Jahrtausendwende. Zudem haben ihre Mitarbeiter häufiger einen akademischen Abschluss – zum Beispiel als Ingenieur oder Betriebswirt. Und diese Mitarbeiter stellen außer an ihre Arbeit auch an ihre Führung andere Anforderungen als die Mitarbeiter in der Vergangenheit.
Zudem spüren gerade die mittelständischen Unternehmen, die häufig – salopp formuliert – „Hidden Champions in der Provinz“ sind, die Folgen des demografischen Wandels. Es fällt ihnen zunehmend schwer, hochqualifizierte und -motivierte Mitarbeiter zu finden und langfristig an sich zu binden. Auch deshalb stellen zurzeit viele KMU ihre Personalführungs- und -entwicklungskonzepte auf den Prüfstand. Dabei lautet die zentrale Frage: Wie können wir unsere Personalarbeit sowie Unternehmens- und Führungskultur so modernisieren, dass sie einerseits den (Arbeits-)Marktanforderungen entspricht und wir andererseits nicht die spezifischen Stärken eines mittelständischen Unternehmens verlieren? Denn klar ist: Ein Irrweg wäre es, die Personalentwicklungs- und Führungskonzepte der Konzerne – in abgespeckter Form – auf den Mittelstand/die KMU zu übertragen. Denn dies entspräche nicht ihrem Bedarf. Zudem ginge hierdurch die Identität dieser Unternehmen verloren. Also muss der Mittelstand eigene, passgenaue Lösungen entwickeln.
Neues Selbst- und Führungsverständnis
Eigentümer-Unternehmer müssen akzeptieren, dass sie – aufgrund des Wachstums ihrer Unternehmen und der veränderten Erwartungshaltung der Mitarbeiter – nicht nur mehr Zeit und Energie in das Führen ihrer Mitarbeiter investieren, sondern auch ihr Führungsverhalten verändern müssen. Entsprechend wichtig ist es, dass sie regelmäßig ein Feedback über ihr Führungsverhalten und dessen (unbeabsichtigte) Wirkungen erhalten.
Theoretisch kann dieses Feedback von den Mitarbeitern kommen. Doch praktisch ist dies nur bedingt möglich. Denn aufgrund der oft übermächtigen Stellung der Eigentümer-Unternehmer in ihren Unternehmen sowie ihrer existenziellen Abhängigkeit von ihnen, sind die Mitarbeiter – zu Recht – meist sehr vorsichtig mit ihrem Feedback. Was sie stört, sagen sie dem Chef maximal durch die Blume. Deshalb empfiehlt es sich, wenn sich die Führungskultur real ändern soll, zum Beispiel einen erfahrenen Führungskräftecoach mit ins Boot zu holen, der den Eigentümer-Unternehmer unter anderem auf seine blinden Flecken im Bereich Führung hinweist und diese mit ihm bearbeitet.