Einerseits: Konflikte im Team anzusprechen und zum Ausgleich zu bringen, ist eine wichtige Führungsaufgabe. Andererseits: Die zunehmend praktizierte Selbstverantwortung und Selbstorganisation der Mitarbeiter hat Auswirkungen auf das Konfliktmanagement. Eine Führungskraft sollte heute nicht schon bei jeder kleinen Auseinandersetzung im Team eingreifen. Dennoch muss sie ihrer Führungsrolle des Konfliktmanagers gerecht werden. Aber wann? Und wie? Und was sind die Grenzen meiner Wirksamkeit?
Für die Frage „Wann und wie interveniere ich als Führungskraft in Konflikten?“ helfen diese Überlegungen:
Wie ticken die Beteiligten des Konflikts?
Welche Konfliktlösungskompetenz haben die beteiligten Mitarbeiter? Wie lange arbeiten sie schon zusammen, und welche Vertrauensbasis haben sie untereinander? Wie steht es um ihre Reflexionsfähigkeit? Die Beteiligten müssen in der Lage sein, ihren eigenen Anteil am Konflikt selbstkritisch zu sehen und deeskalierende Verhaltensweisen zu zeigen. Andernfalls gilt: sofort einschreiten!
Wie hoch ist das Risiko?
Sind Timelines, Ziele oder Ergebnisqualität in Gefahr? Wie hoch ist der potenzielle finanzielle und sonstige Schaden (Imageverlust, zwischenmenschliche Schäden), der durch ein etwaiges Fortschreiten des Konflikts für das Unternehmen oder den Bereich entsteht?
Liegt ein Sachkonflikt vor?
Streiten die Personen um die Sache – z.B. um eine Vorgehens- weise im Projekt –, können Sie zunächst abwarten, ob die Mitarbeiter selbst einen Lösungsweg finden.
Ausnahmen: Die Mitarbeiter sind nicht konfliktfähigund/oder Ziele und Ergebnisse sind in Gefahr. Es handelt sich bei dem Sachkonflikt um einen Ziel- oder Rollenkonflikt, das heißt: Die Mitarbeiter haben unterschiedliche Informationen zu den Rahmenbedingungen ihrer Arbeit. Sie zu setzen, ist Aufgabe der Führung. Bei diesbezüglichen Diskrepanzen müssen Sie tätig werden und eine klare Ansage machen.
Liegt ein Beziehungskonflikt vor?
Haben die Parteien Probleme mit der Art und Person des jeweils anderen, gilt: Sie müssen den Konflikt zur Sprache bringen. Das gilt auch für jede beleidigende und anzügliche Äußerung: Solche Bemerkungen sind entschieden zurückzuweisen, bevor überhaupt ein Konflikt daraus erwächst. Achtung: Viele Beziehungskonflikte begannen ursprünglich auf der Sachebene, d.h., das sachliche Problem muss gefunden und gelöst werden. Auch dann, wenn Teammitglieder als genereller Sündenbock für alles herhalten müssen, gab es ursprünglich meist ein einzelnes sachliches Problem.
Ist der Konflikt „heiß“ oder „kalt“?
Heiße Konflikte sind durch hitzige Diskussionen, Beschuldigungen und Vorwürfe geprägt und somit leicht zu erkennen. Ein einzelnes Lautwerden kann ein reflektiertes Team vertragen; tauchen diese Anzeichen wiederholt auf, müssen Sie eingreifen.
Kalte Konflikte springen nicht sofort ins Auge. Sie kennzeichnen sich durch unausgesprochene Spannungen und dauernde Unzufriedenheiten, die mit subtilen Mitteln der Sabotage und Blockade passiv ausgefochten werden. Interpretieren Sie daher das Ausbleiben von lauten Auseinandersetzungen nicht automatisch dahingehend, dass alles okay sei. Kalte Konflikte sind oft das Ergebnis früherer heißer Konflikte, bei denen es zu keiner befriedigenden Lösung gekommen ist – und verlangen sofortige Intervention.
Auf welcher Eskalationsstufe ist der Konflikt?
Der österreichische Organisationsberater und Konfliktforscher Friedrich Glasl hat ein Modell zur Konflikteskalation bzw. -lösung entwickelt. Demnach können Konflikte, die einen gewissen Punkt auf der neunstufigen Skala der Konflikteskalation erreicht haben, nicht mehr ohne Hilfe von außen gelöst werden. Ist den Parteien bewusst, auf welcher Stufe sie stehen, haben sie die Möglichkeit, ihren Konflikt zu analysieren und bereits während des Konfliktverlaufs besser zu reagieren. Grundsätzlich gilt: Je verfahrener und verhärteter die Situation ist, desto mehr brauchen die streitenden Parteien Hilfe von außen. Diese Hilfe kann bzw. sollte differenziert betrachtet werden.
Auf den ersten drei Konfliktebenen ist es noch möglich, dass beide Parteien ohne Schaden oder sogar mit Gewinn aus der Sache aussteigen. Hier sind Sie als Führungskraft in vermittelnder Funktion gefragt. Verschlimmert sich der Konflikt, ist Vorsicht geboten. Wenn Mitarbeiter sich offen anfeinden und sich gegenseitig schaden wollen, bedarf es eines professionellen Konfliktmanagements. Hier sind Sie gefordert, genau darauf zu achten, dass der Grad der Eskalationsstufe Ihrer Lösungskompetenz einerseits und Ihrer (neutralen) Rolle andererseits entspricht. Zeichnet sich ab, dass Sie den Konflikt nicht selbst managen können, sorgen Sie rechtzeitig dafür, dass Sie sich professionelle Unterstützung von außen suchen. Das Einschalten eines Mediators kann hier beispielsweise ein Schritt in die richtige Richtung sein.
Konfliktmanagement als Basiskompetenz
Konflikte und deren Bewältigung sind alltäglicher Bestandteil des Führungsalltags. Effizientes Konfliktlösungsverhalten ist eine immer wichtigere und zentralere Herausforderung für Führungskräfte aller Ebenen. Gerade in Zeiten des schnellen und massiven Wandels nehmen mit den Unsicherheiten auch die Konfliktpotentiale und Konflikte zu.
Organisationsintern werden Führungskräfte von Mitarbeitern häufig als Auslöser oder gar Verursacher von Konflikten betrachtet, zugleich sind sie aber auch mit der Erwartung konfrontiert, Konflikte zu lösen. Die Fähigkeit Konflikte frühzeitig zu erkennen, aktiv anzugehen und ihr Potential zur Gestaltung des Führungsprozesses zu nutzen, gehört zu den wichtigsten Kompetenzen einer Führungskraft.
Interessiert an einem Training, Vortrag oder Workshop zu Konfliktmanagement? Dann sprechen Sie uns gerne an!